Dass Geistergeschichten seit jeher ein großes Publikum begeistern, liegt auf der Hand. Schon in den Fünfzigern erfreuten sich Jung und Alt an „Geschichten aus der Gruft“, Anfang der glorreichen 80s spielte sich „Poltergeist“ in die Herzen der Horrorgemeinde und spätestens seit dem „Conjuring“-Franchise ist das Thema wieder voll im Fokus. Das hat nun auch Netflix bemerkt und präsentiert ab sofort die hauseigene Gruselcomedy „We have a Ghost“.

von Cliff Lina

Von seiner Rolle als Familienvater ist Frank überfordert. Nach zahlreichen Rückschlägen hat er das Vertrauen von Frau und Kindern längst eingebüßt, und der x-te Neuanfang löst nur noch verhaltene Aufbruchsstimmung auf. Insbesondere Sohn Kevin vermisst den Bund, den er einst zu seinem Vater hatte. Als der rebellische Teenager eines Tages die Bekanntschaft von Geist Ernest macht, scheint sich das Blatt zu wenden. Kevin hat endlich wieder jemanden, mit dem er sich verbunden fühlt und auch finanziell scheint sich die Geschichte um die spirituelle Präsenz auszuzahlen. Kurzerhand vermarktet die Familie ihren Hausgast, und ruft damit nicht nur zahlreiche Schaulustige, sondern auch direkt die CIA auf den Plan.

Wer bei Netflix neuester Eigenproduktion auf gruselige oder gar schockierende Momente spekuliert, muss an dieser Stelle leider bereits enttäuscht werden. Die Ausrichtung wendet sich klar an jüngeres Publikum, das entspannt den Tag ausklingen und sich berieseln lassen will. Dafür eignet sich „We have a Ghost“ tatsächlich ganz gut, was insbesondere daran liegt, dass die Geschehnisse regelmäßig zusammengefasst und damit auch diejenigen eingefangen werden, die mal ein paar Minuten das „Chill“ in „Netflix & Chill“ vorgezogen haben. Der kognitive Anspruch beschränkt sich auf ein Minimum, was im Grunde kein Problem ist, wenn der Film denn andere Argumente für eine Sichtung bieten würde. Und genau da liegt der Geist begraben.

Schon zu Beginn fallen einige Logiklöcher ins Auge, die sich über die gesamte Lauflänge erstrecken. Dass Sohn Kevin komplett cool auf die Geistererscheinung reagiert? Geschenkt. So ist die Generation TikTok eben, hart im Nehmen und schier unerschütterlich. Cringe. Dass bei der Aufklärung des Schicksals, trotz überbordender medialer Präsenz, jedoch niemand auch nur ansatzweise eine Idee hat was sich zugetragen haben könnte oder wer Ernest ist, mutet dagegen schon deutlich konstruierter an. Solche und ähnliche Momente ereignen sich in unschöner Regelmäßigkeit, und auch abseits dieser plotholes kann die Geschichte nur wenig Sympathie für sich verbuchen. Grund dafür ist die schlecht ausbalancierte Mischung der Figuren, beziehungsweise deren lustlose Ausgestaltung. Ein verzweifelter Vater, der auf Biegen und Brechen zu Ruhm kommen will um den Respekt seiner Familie zurück zu erlangen, eine hilflose Mutter, die rein gar nichts zur Handlung beiträgt und zwei Söhne, von denen jeder auf seine Art anstrengend ist. Lediglich David Harbour in der Rolle des Geistes kann halbwegs überzeugen und weiß zumindest seine Mimik in jeder Szene gekonnt einzusetzen.

Mit viel Wohlwollen kann „We have a Ghost“ natürlich als kluge Metakritik an medialer Ausschlachtung verstanden werden, aber bedauernswerterweise ist er so ganz offensichtlich nicht gemeint. Hier soll geistlos unterhalten werden. Geistlos, versteht ihr? Wegen des Geistes. Lassen wir das. Aber auf etwa diesem Niveau bewegt sich auch der Humorgehalt des Films. Schade, denn mit einem solchen Cast, dem vermeintlichen Budget hinter der Produktion und der Reichweite des Streamingriesen wünscht man den zahlenden Abonnenten einfach mal einen Film, der am Ende der zwei Stunden nicht mit einem müden Schulterzucken quittiert wird. „We have a Ghost“ ist ein weiterer Versuch diese Strähne zu durchbrechen, scheitert jedoch abermals an seiner Ideenlosigkeit.

Fazit

Auch wenn „We have a Ghost“ zweifelsfrei auf das jüngere Publikum zugeschnitten ist, zerfällt der Film auch für dieses schnell in sein Ektoplasma. Der Cast ist übersät mit unsympathischen Figuren und selbst die eigentlich tragische Geschichte des Namensgebers versinkt minütlich mehr in erahnbaren Klischees. Der Geist wiederum, und das ist bezeichnend für den gesamten Film, macht selbst ohne Dialog noch die beste Figur in all dem. Oder gerade deshalb.

Bewertung

Bewertung: 4 von 10.

(35/100)

Bilder: ©Netflix